Meditation zum Wochenpsalm für Palmsonntag, den 5. April 2020
„Der Menschensohn muss erhöht werden,
damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“
Joh. 3,14
Ich höre „ewiges Leben“
und denke; erst einmal das Tägliche in Griff kriegen,
als in geistlichen Höhen zu schweben,
erst einmal die nächtlichen Ängste besiegen.
Ich höre „ewiges Leben“
und denke; was soll das für ein Leben sein?
Da können die ganz Frommen vielleicht Gedankenteppiche weben,
ich steh nur hier, ratlos und klein.
Und was heißt überhaupt „Menschensohn“?
Ich weiß, ein Wort für Jesus Christ,
aber wer braucht den denn jetzt schon,
selbst wenn man hört, dass er Mensch geworden ist?
Also, ein Mensch, erhöht am Kreuzesholz,
der soll allen Rettung bringen?
Ein Mensch im Leid, in Todesnot, bar allem Stolz,
soll alle erlösen, Seelenkraft geben, sich in den Himmel zu schwingen?
Alle, die ihm vertrauen, sagt unser Bibelwort:
Ihr werdet Gottes Güte schauen, an jenem Ort;
den Paradies wir nennen, oder Himmel, oder Ewigkeit.
Doch wer kann den im „Jetzt“ schon erkennen, was ist mit unserer Lebenszeit?
Licht kann nur als Licht erscheinen,
weil Schatten zuvor die Sonne verbarg.
Alle Tränen muss man zu Ende weinen,
auch die bittersten, dort hinterm Sarg.
Der, den wir „Menschensohn“ nennen,
ist diesen Weg auch uns vorausgegangen,
sollte der nicht unser Leben und Gedanken kennen?
Mit ihm wollen wir jeden Morgen unverzagt ganz neu anfangen.
Und tu ich dies, verlass meine selbstgebauten Wände,
so gibt es immer wieder Zeichen,
Menschen reichen Hände,
ein Stück Himmel, lässt die Trauergeister weichen.
Ihre Pastorin Ulrike Dietrich