Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Rethwisch

Predigt zur Christvesper 2020

Begrüßung
Weihnachten 2020 und wir kommen mit der Hoffnung auf ein Ende der Pandemie, trotz steigender Zahlen und wachsenden Leides, trotz Ignoranz und Selbstsucht der Einen, verzweifeltem Kampf und Selbstlosigkeit der Anderen.
Weihnachten 2020 und wir kommen mit der Hoffnung auf Frieden, trotz unzähliger Kriege weltweit, trotz Terror und Hass, Flucht und Vertreibung und Menschen, die anderen das Menschsein absprechen.
Weihnachten 2020 und wir kommen mit der Hoffnung auf Gerechtigkeit, trotz himmelschreiender Unterschiede zwischen arm und reich, wohlsituiert und mittellos bis hin zum hungernden Kind.
Weihnachten 2020 und wir kommen mit der Hoffnung auf Wahrheit, trotz unzähliger Lügen, die Menschen verbreiten, von Hassideologien und Gier verführt.
Weihnachten 2020 und wir kommen mit der Sehnsucht nach Gott, gerade in der Gottverlassenheit dieser Welt.
Seien Sie herzlich willkommen unter Gottes Himmelszelt, äußerlich mit Abstand, doch im Inneren einander nahe warten wir auf den, der unsere Herzen froh macht, auch in dieser Heiligen Nacht!

Bild von S. Hermann & F. Richter auf Pixabay

Predigt

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus! Amen

Liebe Heilig-Abendgemeinde,

„Weihnachten ist – ob uns das bewusst ist oder nicht– immer auch die Sehnsucht nach einem Zuhause; also nach dem Ort, an dem unsere Seele keine Schmerzen hat. Anders gesagt: Weihnachten soll uns, so hoffen wir es insgeheim, jedes Jahr wieder zu einem Stückchen Himmel auf Erden werden.“ (Oliver Ruhl) So hat es mal jemand auf den Punkt gebracht. Himmel auf Erden, wenigstens ein Stück? Wie soll denn das in diesem Jahr werden? Ich wünsch mir vergangene Weihnachten zurück. Maske, Abstand, ohne zu singen, da falten die Weihnachtsengel geschwind ihre Schwingen und fliegen davon.
Sowieso, wer glaubte das schon, das mit den Engeln, dem Kind und dem Gott? Schöner Traum, Unterbrechung im Alltagstrott, aber mehr doch wohl kaum. Sonst säßen wir doch im geschmückten Kirchenraum und würden singen und uns auf den Braten freuen. Kinderstimmen würden klingen und wir würden weder Kosten noch Mühe scheuen uns ein Stück Himmel auf Erden zu schenken. Meinetwegen auch noch ein bisschen an die Armen denken und die Sektkelche schwenken. Stattdessen regiert in diesem Jahr eine Pandemie, schlimm wie noch nie und wir wissen nicht wie es weitergehen kann. Ratlos melden sich Fragen an. Manch einer sucht billige Antworten, andere klagen an, bekunden lauthals Internet gespeist, es sei Bill Gates, der alles ersann. Es gibt so viele Sorten Mensch, doch Angst haben wir alle in einer chaotischen Welt und fürchten: Kein Gott mehr da, weit und breit unterm Himmelszelt. Was regiert, ist doch wohl allein das Geld, wer viel hat, ein Held, wohl dem, dessen Aktie jetzt in die Höhe schnellt. Es ist zum Weglaufen oder zum in der Waldhütte Verstecken, kein Ablenken mehr mit „Schöne-Dinge Kaufen“, kein Spaß im Club und morgens die Sonne wecken. Statt dessen eine Welt, die den Atem anhält, weil es bedeutet jeder Atemhauch: „Nun hast du´s auch.“ Und dann?
Wer kann? Ja, wer kann helfen? Kerzen und Gebet? Manchmal ist jede Hilfe zu spät. Dass es mehr als Grippe war, ist dann im Nachhinein erst klar. Doch die Sonne geht weiter unter und auf, für manch einen erbarmungslos, Schicksal? Lebenslauf?
In tiefster Nacht sitzen wir. Angst, ach, regier‘ gnadenlos weiter, Hoffnung, wenn´s nicht anders geht, dann scheiter‘.
Doch ich glaube, es reicht. Schlimme Zeiten gibt´s nicht zum ersten Mal, vom Klagen weicht keine Nacht in Qual. Liebe Gemeinde, der weise Altvater Poimen sagte einem jungen Mönch, der von resignierten Gedanken erfüllt war: „Lerne das Handwerk deiner Menschwerdung und höre auf zu jammern.“ Und da sind wir doch schon bei der Weihnachtsgeschichte. Gott hat sein Handwerk gelernt. Er wurde Mensch. Auf den Feldern von Bethlehem wurde es dunkel. Die Weihnachtsgeschichte ist eine Nachtgeschichte. Nachts ist die Angst am Größten. Es wurde nicht gesungen. Es gab höchstens ein kleines Feuerchen zum Wärmen. Gemütlich war´s beim besten Willen nicht, auch nicht für das junge Paar, das so weit gelaufen war und keine Tür mehr offen fand. Ganz am Rand in einer Höhle gab´s Quartier. Und wir? Wo sehen wir uns stehen, mit welcher Hoffnung in die Heilige Nacht hinein gehen? Mit der Hoffnung auf Wandlung, einen Lichtstrahl, eine Wende, wann hat denn das alles Mal ein Ende? Ein Engel muss her mit einem guten Wort. Auch am dunkelsten Ort, muss er es sagen, an Sterbebetten, auf Isolierstationen, da wo tiefste Angst und Verzweiflung wohnen. Er hat nicht viele Worte, der göttliche Bote. Er sagt als Erstes: „Fürchtet euch nicht!“ Nimmt das die Furcht? Ich weiß es nicht. Kommt drauf an, wer und wie er´s spricht. Allein die Verneinung von Furcht, das ist ja doch etwas schlicht. Es muss noch etwas kommen, etwas worauf wir Gedanken, Herz und Seele richten können. Eine Zukunft, etwas zum Anfassen, zum Freuen, zum Festhalten, zum Träumen, zum Schritte wagen, zum Mensch werden, etwas, für das es sich lohnt zu leben: Ein Kind! „Siehe, ich verkündige euch große Freude, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr in der Stadt Davids.“ Ein Kind für alle, ein besonderes Kind, ein Heiland der uns gesunden lässt an Seele und Herz. Wie war das noch mit Weihnachten? Es soll wie Heimat sein, ein Ort, an dem unsere Seele keine Schmerzen hat. Wie soll das ein Kind schaffen? Haben das etwa die Hirten gefragt? Nein. „Die Klarheit des Herrn leuchtet um sie.“ An jenem Abend. Sie wussten, was zu tun ist. Sie machten sich auf den Weg, sofort und auf der Stelle; Gott, als ein Menschenkind zu sehen.
Gott als ein Menschenkind, dass sich allem aussetzt, was Menschsein bedeutet: Geboren werden, wachsen, Liebe erfahren und schenken, Glück spüren, aber auch bittersten Schmerz, Leiden, Abschied nehmen müssen, Krankheit und Tod. Ja, wirklich allem setzt sich Gott in diesem Menschenkind aus. Und das ist etwas, was uns auch in diesem Jahr zum Zeichen werden kann: Gott, als Mensch unter uns, soll uns zu Menschen machen, dass Handwerk der Menschwerdung lehren. Und das heißt: von sich selbst absehen zu können, in der Klarheit des Herrn erwartungsfroh werden. In einem alten Weihnachtslied heißt es: „Glaubst du auch nicht, bleibt er doch treu. Er hält, was er verkündet. Er wird Geschöpf und schafft dich neu, den er in Unheil findet. Er hat sich selbst gebunden. Er sucht: Du wirst gefunden!“ (Jochen Klepper) Und Gefunden werden, ist wie ein Stück Himmel auf Erden.

Amen!

Ein frohes Weihnachtstest wünscht Ihnen Pastorin Ulrike Dietrich